Die Zigarre als besonderes Kulturgut

Genuss

Seit Jahrtausenden kommen Menschen in allen Kulturen der Welt zusammen, um sich gemeinsam dem Genuss zu widmen. Genuss ist seit jeher ein integraler Bestandteil von Kultur und Freizeitgestaltung. Kultur lebendig zu halten ist nur möglich, wenn Raum bleibt für Genuss. Gerade in der heutigen Zeit, in der religiöse und ideelle Bindungen zunehmend an Bedeutung verlieren, stellt sich die Frage nach den Kräften, die Gemeinschaft zwischen Menschen schaffen und die Gesellschaft als solche zusammenhalten.

Dem Genuss kommt hier eine wesentliche gesellschaftliche Funktion zu. Sei es das Glas Wein am Feierabend mit Freunden, der Besuch eines guten Restaurants oder das Rauchen einer ausgewählten Zigarre oder eines hochwertigen Zigarillos – beim gemeinsamen Genuss finden Menschen zusammen: Gerade in unserer schnelllebigen Zeit fungiert Genuss zunehmend als sozialer Kitt, der die Gemeinschaft erhält und damit als identitätsstiftendes Moment wirkt.

Die gegenwärtige berufliche Lebenswelt vieler Menschen ist von Stress und Druck geprägt. Die globale Konkurrenz hat zur Entwicklung einer unbedingten Leistungsgesellschaft geführt. Neue Informationstechnologien garantieren dauerhafte Erreichbarkeit. Die von vielen Menschen empfundene Beschleunigung der Lebenswelt führt zu einem steigenden Bedürfnis nach Ruhe und Muße. Der Genuss bietet für viele Menschen die Möglichkeit des Innehaltens inmitten der Hektik des Alltags.

Tradition

Das Zigarrenrauchen ist die älteste Form des Tabakgenusses. Schon die Azteken und die Maya, die den Namen „Ciquar“ — „etwas Brennbares, das gut schmeckt und gut riecht“— prägten, kennen und schätzen die Zigarre. „Die Cigarre haben die Götter erfunden, um sich selbst in ganz besonderem Maße den Tabakgenuß zu schenken. Jedesmal, wenn es blitzt und donnert, schlagen die Götter Feuer, um sich eine Cigarre anzuzünden.“

Die Zigarre stellt in vielen Kulturen ein besonderes Gut dar. Die Friedenspfeife der amerikanischen Indianer und der religiöse Tabakgebrauch der afrikanischen Bantu- oder Yorubavölker zeugen davon.

Kolumbus ist es, der im Oktober 1492 auf einer der Bahama-Inseln, dem heutigen San Salvador, die Welt des Tabakgenusses für Europa entdeckt. Die Ureinwohner nennen die brennende Blattrolle in ihrem Mund „Tabago“. Sprachliche Verwechslungen führen dazu, dass aus dem Begriff „Tabago“ später das Wort „Tabak“ entsteht.

1519 gelangen die ersten Tabakblätter nach Europa, anfänglich als Heilmittel. Der französische Gesandte am Hofe zu Lissabon, Jean Nicot, zählt damals zu den berühmtesten Tabakheilkundigen. Selbst heute kennen fast alle Menschen noch seinen Namen. Nikotin, die wissenschaftliche Bezeichnung des in der Tabakpflanze enthaltenen Alkaloids, ist nach dem Gesandten benannt.

Erst 1541 gründet der Spanier Demetrio Pela in Kuba die erste Zigarrenfabrik. Fast 200 Jahre später entsteht in Sevilla 1720 die erste europäische Zigarrenfabrik unter dem Namen „La Corona“. Populär wird der Rauchgenuss in Europa erst Mitte des 16. Jahrhunderts.

Der Brite Sir Walter Raleigh steht für eine ganze Generation, die sich am Pfeifenrauchen erfreut. Die damals vorherrschende puritanische Gesinnung macht dem Tabak seine gesellschaftliche Bedeutung anfangs zwar noch schwer, aber schon bald erhält der Tabak Unterstützung von ungeahnter Seite.

1679 führt Ludwig XIV. in Frankreich die Tabaksteuer ein. Trotz Steuer wächst die Schar der Tabakfreunde schnell – insbesondere in Deutschland. Friedrich Wilhelm I. und sein Tabakkollegium werden mächtige Förderer dieses Genussmittels in Preußen.

Der Kaufmann Heinrich Schlottmann, der in Sevilla das Zigarrenmacherhandwerk als erster Deutscher erlernt, gründet im Jahr 1788 in Hamburg die erste Zigarrenfabrik Deutschlands. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts findet die Zigarre hierzulande immer mehr Liebhaber. Ab Mitte des Jahrhunderts entstehen schnell weitere Produktionsstätten. Bremen, der südliche Schwarzwald, Thüringen und Ostwestfalen entwickeln sich zu Zentren des Zigarrenmacherhandwerks.

Vor allem in der Stadt Bünde boomt die Produktion für die folgenden 100 Jahre. Deutschland hat seine Zigarrenstadt. Doch der Siegeszug der Zigarre hat auch Grenzen. Mit dem unter den Nationalsozialisten eingeführten Maschinenverbot und dem rasanten Aufstieg der Zigarette setzt ein Schrumpfungsprozess ein. Die deutsche Zigarrenindustrie verliert sukzessive an wirtschaftlicher Bedeutung.

Diese Entwicklung lässt sich exemplarisch an der Stadt Bünde ablesen. Von den einstmals etwa 250 Zigarrenunternehmen der Stadt haben nur drei Familienunternehmen überlebt, die nun die große Tradition der Zigarrenherstellung ins 21. Jahrhundert führen.